Neue Leitung für MEDISTAR

Zum 1.10. hat der langjährige MEDISTAR-Geschäftsführer zusammen mit dem Leiter der Entwicklungsabteilung das Unternehmen überraschend verlassen. Die Hintergründe sind mir nicht bekannt.

Allerdings macht man sich so seine Gedanken und es fallen mir viele mögliche Gründe ein, warum es dazu kommen konnte. Aus Anwendersicht hat man seit der Übernahme der Firma durch die CompuGroup Medical AG vor nun mehr als 10 Jahren den Eindruck, dass die Dinge nicht gut laufen. Die CGM-Leitung möchte als Besitzerin verschiedener Arztsoftwareprodukte und weiterer Software für andere Gesundheitssparten verständlicherweise Synergieeffekte nutzen. Daher haben die von ihr als „Plattformprodukte“ bezeichneten Programme, d.h. Software, die von den verschiedenen Arztsoftwareprodukten (MEDISTAR, TurboMed, Albis, M1, usw.) gemeinsam genutzt werden können, in den letzten Jahren höchste Priorität gehabt. Die Entwicklung und Anbindung dieser Produkte an MEDISTAR hat viel Manpower geschluckt. Herausgekommen sind für den Anwender im besten Fall nette Schmankerln wie der Online-Terminkalender. Andere Erzeugnisse wie z.B. das Doc-Portal haben dagegen viele Anwender in Rage gebracht.

Die Kernprobleme bei MEDISTAR wurden dagegen vernachlässigt. Zum einen, weil Datenbankumstellung und gesetzliche Vorgaben Kapazitäten gebunden haben, aber auch weil die Entwickler mit der Programmierung von Junk-Software beschäftigt wurden. Liegen gebliebene und dringend zu erledigende Aufgaben sind zum Beispiel:

  1. Die Beseitigung nicht-graphischer Formularprogramme: Viele Anwender erledigen zwangsweise noch heute – fast 20 Jahre nach Einführung von Windows 95 – wichtige Schritte der Praxistätigkeit mit MEDISTAR-Software, die keine Mausbedienung zulässt!
  2. Überarbeitung der integrierten Textverarbeitung („Brieftext“): Die Brieftext-Funktion in MEDISTAR ist für den geübten Anwender schnell zu bedienen und deshalb beliebt. Allerdings ist die Bedienung ebenfalls über 20 Jahre alt und einem Junganwender nicht mehr zu vermitteln.
  3. Die Konfiguration von Druckern innerhalb der MEDISTAR-Software ist eine Zumutung und überhaupt nicht Windows-konform. Auch hier ist eine gründliche Modernisierung vonnöten.
  4. Der Unterbau von MEDISTAR, das Qt-Framework ist veraltet und möglicherweise für moderne bzw. kommende Windows-Betriebssysteme nicht mehr kompatibel, zumal der Support seitens des Herstellers beendet wurde. Die dringend erforderliche Umstellung auf eine neue Version wird einigen Aufwand kosten, für den genügend Entwicklungskapazität zur Verfügung gestellt werden muss. Dazu werden auch umfangreiche Tests gehören, bevor eine neue Version ausgegeben werden kann. Gleichzeitig erleichtert die Umstellung die Einbindung einer modernen Textverarbeitungsfunktion, weil in neueren Qt-Versionen eine vorbereitete Komponente zur Verfügung steht.
  5. Die Einblendung von Medikamentenwerbung im Rezeptformular ist für eine seriöse Software nicht hinnehmbar. Das Argument, dass die Verordnungskomponente (ehemals „Pharmastar“) den Anwendern kostenlos zu Verfügung gestellt wird, war schon immer blöd. Das Verordnen von Medikamenten ist nun mal eine Kernfunktion einer Arztsoftware. Ein Anwender, der viel Geld für seine Praxis-EDV ausgibt, aber ständig mit Werbung attackiert wird, fühlt sich verschaukelt. Hallo CGM-Manager, bitte versteht „Synchronizing Healthcare“ nicht so, dass ihr eure Ärzte an die Pharma-Industrie verkauft!
  6. Seit einiger Zeit erfolgt die Medikamentenverordnung in den CGM-Programmen mit Hilfe des eigenständigen Programms „ifap-Praxiscenter“. Ich verstehe nicht, warum es einem großen Software-Unternehmen nicht möglich ist, die Daten den einzelnen Tochterfirmen so anzubieten, dass diese sie unter ihrer Programmoberfläche anzeigen können. Der ständige Wechsel zu einer Software mit anderer Oberfläche und Bedienungslogik erzeugt keinen professionellen Eindruck.
  7. Das Bild- und Dokumenten-Management-System MOVIESTAR könnte eigentlich ein Bestandteil von MEDISTAR sein. Ein modernes AIS kann m.E. nicht ohne eine vernünftige Bild- und Dokumentendatenbank bestehen. Die Entwicklung von MOVIESTAR sollte daher in MEDISTAR integriert werden. Das Programm könnte doch wunderbar die Oracle-Datenbank mitnutzen.
  8. MEDISTAR war in früheren Jahren die bevorzugte Software von Ärzten, die ihre Software gern selbst ausbauen und administrieren wollten. Es war durch Anwenderintelligenz oftmals möglich, für individuelle Praxisprobleme eigeständige Lösungen zu finden. In dieser Hinsicht unbedarfte Ärzte kauften MEDISTAR ebenfalls, weil die Computerfreaks auf MEDISTAR standen und bereit waren, ihr Know-how zu teilen. Leider wird dieser Aspekt seit Jahren nicht mehr gefördert. Zum Beispiel sind die neuen graphischen Formularprogramme durch den Anwender nicht mehr veränderbar. Vorstellbar ist aber, dass Anwendern ein Baukastensystem oder ein Skript-Interface für einfache Formularprogramme zur Verfügung gestellt wird. Qt bietet Funktionen, auf die man aufbauen kann. Außerdem müsste interessierten Anwendern mehr Hilfe beim Umgang mit der Oracle-Datenbank zuteilwerden. Alle technischen Dokumente und Anleitungen, die den SPs zur Verfügung gestellt werden, müssten auch von Anwendern von der Webseite heruntergeladen werden können. Mutig wäre auch die Einrichtung eines Anwender-Forums im Internet.
  9. Bereits vor Jahren habe ich vorgeschlagen, eine „IntelliSense“-Funktion (Text- und Kürzel-Ergänzungshilfe) in MEDISTAR einzubauen. Das wurde abgelehnt, weil es schwer zu warten sei. Demnächst wird die neue Firma T2Med genau hiermit als Hauptfeature („Wörterbuch-Funktion“) werben. Diese Funktionalität würde gut zu MEDISTAR passen. Für die bei MEDISTAR vorhandenen Facharztentwickler, wäre es eine passende Aufgabe, den für Ihren Fachbereich spezifischen Wortstamm einzubringen oder zu kontrollieren. Das würde die Bedeutung ihrer Facharztmodule als Bestandteil des ganzen Systems aufwerten.
  10. Als MEDISTAR 4.0 entworfen wurde, hat man sich wegen der Möglichkeit, das Programm auf Linux portieren zu können, für Qt als Framework entschieden. Auch die Oracle-Datenbank steht einem Linux-Einsatz nicht im Weg. Da die CompuGroup bereits ein eigenständiges Linux-Programm pflegt, schlummert hier echtes Synergiepotential. Wobei sich natürlich die Frage stellen würde, ob man Data-Vital-Kunden nicht dazu bewegen könnte, auf „MEDISTAR für Linux“ umzusteigen. Für das Windows-MEDISTAR wäre die gewonnene Zukunftssicherheit ein Wettbewerbsvorteil: Jeder Kunde hätte dich Möglichkeit zu einem beliebigen Zeitpunkt das Betriebssystem zu wechseln. Außerdem käme die von vielen Anwendern gewünschte Anbindung von Open-Office nebenläufig zustande.

Wie man sieht, gibt es so viel Handlungsbedarf, dass das Management der CompuGroup massiv reagieren muss. Falls die Leitung nicht bereit ist, sich für ihre Kunden einzusetzen und weiterhin den Produktmanagern nebensächlicher Addons wie Privadis, Vita-X, iFox, eServices usw. erlaubt, eine vernünftige Priorisierung und Planung zu torpedieren, kann man nicht helfen. Aber es wäre schade, denn MEDISTAR enthält bei aller Kritik immer noch so viele Highlights und Alleinstellungsmerkmale (z.B. Makrofunktionalität, Patientenlisten, -marker, Sofortprüfung).

PS: Liebe CGMler: bitte ruft mich jetzt nicht an, um mir zu sagen, dass ich den Artikel aus dem Netz nehmen soll. Lest ihn stattdessen bitte noch einmal, reicht ihn nach oben weiter und bedankt euch für die Unternehmensberatung. Ich habe nicht gegen MEDISTAR geschrieben, sondern für MEDISTAR! Noch bin ich Mitaktionär.

8 Gedanken zu „Neue Leitung für MEDISTAR“

  1. Ich kann allen Vorkommentaren noch zustimmen. Derzeit kann ich keinem Kollegen mehr empfehlen sich für Medistar zu entscheiden.

  2. Liebe Medistar-Nutzer, ich dachte, immer, ich sei der Einzige, der von Medistar enttäuscht ist: ich bin Nutzer seit 1992 und habe zig Neuerungen erlebt, oft allerdings nicht zum Vorteil der Nutzer, sondern zur stetigen Steigerung der Nutzergebühren- und diese Preissteigerungen wurden erpresserisch trotz steigender Nutzerzahlen durchgesetzt. Manchmal weiß ich nicht, wie ich mich bei geworbenen Medistarnutzern entschuldigen soll. Das Schlimmste in der tägl. Arbeit ist die IFAP- Datei, die durch Werbung und kompliziertes Handling für Viele Nutzer sehr nachteilig ist gegenüber Pharmastar. Mit der Budgetstatistik kommen wir auch nicht mehr zurecht: wir schwimmen im trüben Wasser und können praktisch nicht mehr sehen, wieviel Leistungen in den RLV u. QZV schon erbracht wurden. Ganz miserabel ist auch das neue Heilmittelrezept, bei dem zB selbst das Beginn-Datum eingetippt werden muß und die Fertigverordnungen des FA-Moduls Orthopädie nicht mehr funktioniert. Wir haben über 22 Jahre sehr viel selbst erstellt an Rezepten und Verordnungen- das ist jetzt vorbei. Mein Tip an die Entwickler: einfach mal einem Nutzer bei der hektischen Arbeit zusehen und dann Erleichterungen anbieten.

  3. Unser aller Siggi Busse mailt, dass es bereits eine „hochstehende“ Antwort bei Ihm gegeben habe, „man sei alarmiert“ und so weiter. Warum erst jetzt?? Unsere Meinung ist seit 10 Jahren bekannt. Vielleicht ist so ein Blog genau der richtige Weg ein wenig im (Mist)Haufen zu stochern.

    Euer aller Uli K

  4. Wer soll die Spuksoftware, Taskleistensymbole und Werbeeinblendungen noch benutzen wollen, wenn das Hauptprodukt – der Wirt, von seinen Parasiten zur Strecke gebracht wurde?

  5. Medistar quo vadis?

    Liebe Freunde,
    seit 10 Jahren schieben wir nun schon Frust, weil die Firmenpolitik von CGM mit Medistar nicht kompatibel war. Medistar war immer schon ein Produkt „von Ärzten für Ärzte“. Dafür standen nicht nur unsere Anwender, sondern auchwir als Facharztentwickler, die Vertriebsfirmen und das gesamte Medistar-Team in Hannover.
    Ich fühle mich manchmal wie damals in der DDR. Alles wurde beschwichtigt, Kritik wurde beschönigt, man feierte sich selbst und schaute zu, wie vieles den Bach runter ging. …doch „Niemand wollte eine Mauer baun!“ (Walter Ulbricht).
    An dieser Stelle sei nochmals auf den Selbstbetrug aufmerksam gemacht, Medistar hätte das Alleinstellungsmerkmal „Facharztprogramme“. Wieviel von den 20.000 Anwendern haben denn Facharztprogramme?
    Bestimmte Funktionäre, die damals nicht mitschwammen, wurden kurzer Hand abgesägt oder ausgewiesen ohne Nennung von Gründen. Kommt mir irgendwie bekannt vor.

    Doch wir sind das Volk. Last uns gemeinsam unsere Interessen bündeln und einen besseren Weg im Sinne unsere Ärzte gehen. Mit dem neuen (alten) Geist der Medistar-Pioniere. Wir wollen als Ärzte in unserer Tätigkeit nicht mehr durch eine Software behindert werden! Neben den von Euch schon genannten Mankos möchte ich noch folgende hinzufügen:

    1. Extreme Softwareverlangsamung durch Plattformprodukte oder Updates (insbesondere IFAB)
    2. Wir haben eine Statistik, die nicht stimmt. (Quartalsvergleiche sind falsch!!!, Zeitstatus ist falsch!!!)
    3. Die Komplexität des Programms incl. Externe Programme ist zu groß, deshalb muß eine einheitliche und vereinfachte Bedienung her. (Ein Arzt ist nicht Diener der Technik)

    Aber auch wir sollten im Zuge des Neuanfangs über andere Wege nachdenken. Ich könnte mir vorstellen, dass auch wir mit entsprechender Unterstützung von Medistar unsere Programme im Handling und Outfit vereinheitlichen und noch besser auf Medistar abstimmen sollten. Sicherlich ein großer Wurf – eine Makrodatei mit allen Facharztprogrammen mit Freischaltfunktion für die entsprechende Fachrichtung! Aber ein einheitliches Produkt unterschiedlicher Fachrichtungen zu haben, wäre für alle Beteiligten (auch Medister und die Supportler) ein Garant für die Zukunft.
    Unter dieser Voraussetzung könnte Medistar nun auch ohne Bedenken allen Anwendern das Facharztmodul als Standardprogramm zur Verfügung stellen. So würden auch Neuentwicklungen in der Software nicht mehr an uns Facharztentwicklern und unseren Ärzten vorbeigehen. Egal welche Fachrichtung, eine Schulung von Anwendern wäre für die Vertriebler viel einfacher und standardisiert zu händeln. Somit hätte Medistar das Alleinstellungsmerkmal wirklich!

    Werfen wir doch unsere Produkte in einen Topf und generieren fachgruppenunabhängig eine monatlichen Softwarenutzungsgebühr, die Medistar von jedem Anwender einzieht und an unsere gemeinsame GmbH überweist. Der Erlös sollte zu gleichen Teilen gehen.

    Ich bin sicher, dass wir Medistar wieder fit bekommen. Packen wir es an.

    Euer Jörg Thiele

    PS: Schade, dass ich keine Kontaktadresse von Sebastian habe. Wenn mir einer helfen könnte, wäre das schön. Ich möchte mich nochmal persönlich bei Ihm für die jahrelange gute Zusammenarbeit bedanken. Er hat mit Sicherheit für uns gekämpft. Jetzt sind er und Stefan die Bauernopfer.

  6. Warum sollte jemand wollen, daß dieser Artikel aus dem Netz genommen wird? Die Wahrheit tut häufig weh. Anders ausgedrückt: Medizin muß bitter schmecken, sonst nützt sie nichts.

  7. Besser kann man es sachlich und fachlich nicht zusammenfassen. Allerdings ist noch nicht ersichtlich, ob die CompuGroup tatsächlich interessiert ist, ein bestmögliches Softwareprodukt namens MEDISTAR herzustellen. Shareholdervalue und Produktqualität und Anwenderzufriedenheit laufen in einem zunhmend monopolisierten Markt auf verschiedenen Gleisen. Insofern sollte man sich keiner Illusion hingeben. Noch dazu wird der jedem von uns gut bekannte MEDISTAR Spirit, der sich aus Stolz und Leidenschaft für ein richtig „geiles Produkt“ speiste, durch Druck ersetzt, wie man ja spätestens seit Donnerstag weiß. Das sind halt unterschiedliche Managementansätze. Aber dafür kann man dann ja Teambuildingseminare und Coaches buchen…

  8. Wie wahr, und wie aus meiner Seele gesprochen. Wenn wir jedoch einmal von der menschlich – unmenschlichen Seite absehen, was man mit Sebastian gemacht hat…Der Neue ist ja wahrscheinlich nur abkommandiert worden, um das Gallische Dorf zu kujonieren. Im Irak (schon wieder Ausland) sieht man es immer wieder: Solche Administratoren laufen gerne über. Wir haben gute, ja die besseren, Argumente – versuchen wir uns Herrn B zum Verbündeten zu machen!! Oder zumindest ihn nicht gleich abzubürsten….

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